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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
 
 
 
8C_437/2024  
 
 
Urteil vom 21. Mai 2025  
 
IV. öffentlich-rechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichterin Viscione, Präsidentin, 
Bundesrichter Maillard, Bundesrichterin Heine, 
Gerichtsschreiber Hochuli. 
 
Verfahrensbeteiligte 
SOLIDA Versicherungen AG, 
Saumackerstrasse 35, 8048 Zürich, 
vertreten durch Martin Bürkle und/oder Raphael Meier Rechtsanwälte, 
Beschwerdeführerin, 
 
gegen  
 
A.________, 
vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Stephan Zimmerli, 
Beschwerdegegner. 
 
Gegenstand 
Unfallversicherung (Leistungskürzung, Kausalzusammenhang, Untersuchungsgrundsatz), 
 
Beschwerde gegen das Urteil des Kantonsgerichts Luzern vom 12. Juni 2024 (5V 23 143). 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.  
A.________, geboren 2004, war seit 1. August 2020 bei der "Stiftung B.________" in U.________ als lernender Assistent Gesundheit und Soziales EBA angestellt. In dieser Eigenschaft war er bei der A.________ AG (fortan: Solida oder Beschwerdeführerin) obligatorisch gegen die Folgen von Unfällen und Berufskrankheiten versichert. Am Morgen des 18. November 2021 befuhr er als Lenker eines Leichtmotorfahrrades (E-Bike) auf dem Arbeitsweg von seinem Wohnort V.________ aus den rechtsseitig parallel zur Strasse C.________ verlaufenden Rad- und Fussweg in Richtung W.________. In die gleiche Richtung fuhr ein Anhängerlastwagen (fortan: LKW). Auf Höhe des Firmenareals der D.________ AG endet der rechtsseitig angelegte, gemeinsame Rad- und Fussweg vor einem Fussgängerstreifen, welcher über die Strasse C.________ führt. Anschliessend verläuft der Radweg Richtung W.________ abgetrennt von der Fahrbahn auf der in Fahrtrichtung W.________ linken Strassenseite. Das Ende des Radweges beim Fussgängerstreifen ist signalisiert und zusätzlich mit einer Bodenmarkierung "Kein Vortritt" gekennzeichnet. Bei der Überquerung der Strasse C.________ kam es zu einer rechtsseitigen Frontalkollision mit dem LKW, wobei A.________ weggeschleudert wurde und ca. 26 Meter von der Kollisionsstelle entfernt in Endlage auf einer Rasenfläche liegen blieb. Dabei zog er sich ein Polytrauma zu. Das E-Bike wurde vor dem Ende der Bremsstrecke von den rechtsseitigen Rädern des LKWs überrollt. Die Solida übernahm die Heilbehandlung und erbrachte ein Taggeld. Mit Verfügung vom 17. Februar 2022 kürzte die Solida die Taggeldleistungen wegen grobfahrlässiger Verursachung des Unfalles um 10% und hielt mit Einspracheentscheid vom 11. April 2023 daran fest. 
 
B.  
Die hiergegen erhobene Beschwerde des A.________ hiess das Kantonsgericht Luzern gut, soweit es darauf eintrat. Es hob den Einspracheentscheid vom 11. April 2023 auf und sprach A.________ einen Anspruch auf ungekürzte Taggeldleistungen aus dem Unfall vom 18. November 2021 zu (Urteil vom 12. Juni 2024). 
 
C.  
Mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten lässt die Solida beantragen, das kantonale Urteil sei aufzuheben und der Einspracheentscheid vom 11. April 2023 zu bestätigen. Zudem ersucht sie um Gewährung der aufschiebenden Wirkung. 
Während die Vorinstanz und A.________ auf Beschwerdeabweisung schliessen, verzichtet das Bundesamt für Gesundheit (BAG) auf eine Vernehmlassung. Mit Eingabe vom 7. Oktober 2024 nimmt die Solida zu den Vernehmlassungen Stellung. 
 
D.  
Mit Verfügung vom 4. November 2024 erteilt die Instruktionsrichterin der Beschwerde aufschiebende Wirkung. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.  
 
1.1. Die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann wegen Rechtsverletzungen gemäss Art. 95 und 96 BGG erhoben werden. Das Bundesgericht wendet das Recht von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1 BGG). Es ist folglich weder an die in der Beschwerde geltend gemachten Argumente noch an die Erwägungen der Vorinstanz gebunden; es kann eine Beschwerde aus einem anderen als dem angerufenen Grund gutheissen und es kann sie mit einer von der Argumentation der Vorinstanz abweichenden Begründung abweisen. Immerhin prüft das Bundesgericht, unter Berücksichtigung der allgemeinen Pflicht zur Begründung der Beschwerde (Art. 42 Abs. 1 und 2 BGG), grundsätzlich nur die geltend gemachten Rügen, sofern die rechtlichen Mängel nicht geradezu offensichtlich sind (BGE 141 V 234 E. 1 mit Hinweisen).  
 
1.2. Im Beschwerdeverfahren um die Zusprechung oder Verweigerung von Geldleistungen der Militär- oder Unfallversicherung ist das Bundesgericht nicht an die vorinstanzliche Feststellung des rechtserheblichen Sachverhalts gebunden (Art. 97 Abs. 2 und Art. 105 Abs. 3 BGG).  
 
2.  
Streitig ist, ob die Vorinstanz Bundesrecht verletzte, indem sie - im Gegensatz zur Beschwerdeführerin - seitens des Beschwerdegegners eine ursächliche Grobfahrlässigkeit hinsichtlich des Unfalles vom 18. November 2021 verneinte und folglich die am 17. Februar 2022 in Anwendung von Art. 37 Abs. 2 UVG verfügte und mit Einspracheentscheid vom 11. April 2023 bestätigte Leistungskürzung um 10% aufhob. 
 
3.  
 
3.1. Das kantonale Gericht hat die Bestimmung von Art. 37 Abs. 2 UVG über die Leistungskürzung bei Grobfahrlässigkeit und die dazu ergangene Rechtsprechung (vgl. BGE 138 V 522 E. 5.2; 118 V 305 E. 2b; Urteil 8C_9/2023 vom 10. Mai 2023 E. 3.3 mit Hinweisen) zutreffend dargelegt. Es wird darauf verwiesen.  
 
3.2. Eine Leistungskürzung setzt einen natürlichen und adäquaten Kausalzusammenhang zwischen dem grobfahrlässigen Verhalten und dem Unfallereignis und dessen Folgen voraus (vgl. BGE 126 V 353 E. 5c; 121 V 48 E. 2c; je mit Hinweis; vgl. auch SVR 2013 UV Nr. 34 S. 120, 8C_263/2013 E. 4.3 mit weiteren Hinweisen).  
 
3.2.1. Ein natürlicher Kausalzusammenhang besteht, wenn das schädigende Verhalten eine notwendige Bedingung (condicio sine qua non) für den eingetretenen Schaden ist, d.h. das fragliche Verhalten nicht weggedacht werden kann, ohne dass auch der eingetretene Erfolg entfiele (BGE 143 II 661 E. 5.1.1 mit Hinweisen; vgl. auch BGE 142 V 435 E. 1 mit weiteren Hinweisen).  
 
3.2.2. Ein adäquater Kausalzusammenhang liegt vor, wenn ein Umstand nicht nur condicio sine qua non des Schadens, sondern auch nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge und der allgemeinen Lebenserfahrung geeignet ist, den eingetretenen Erfolg zu bewirken, so dass der Eintritt dieses Erfolgs als durch die fragliche Bedingung wesentlich begünstigt erscheint (BGE 143 II 661 E. 5.1.2; 139 V 176 E. 8.4.2; 129 V 177 E. 3.2; Urteil 4A_275/2013 vom 30. Oktober 2013 E. 5; je mit Hinweisen). Für die Bejahung des adäquaten Kausalzusammenhangs genügt es, wenn das grobfahrlässige Verhalten der versicherten Person eine wesentliche Ursache darstellt. Grundsätzlich unmassgeblich ist, ob noch andere Umstände an der Schadensverwirklichung mitbeteiligt waren. Allfälliges Drittverschulden ist darum nicht zu berücksichtigen, es sei denn, dass es eine derart intensive kausale Bedeutung hat, dass der Kausalzusammenhang zwischen dem Verschulden des Versicherten und dem Unfall bzw. den Unfallfolgen nicht mehr als adäquat erscheint (SVR 2003 UV Nr. 3 S. 7, U 195/01 E. 4a/bb; SZS 1986 S. 249, U 91/84 E. 3c; je mit Hinweisen; Urteil 8C_9/2023 vom 10. Mai 2023 E. 5.5.2 mit Hinweisen).  
 
4.  
Gemäss angefochtenem Urteil ist unbestritten, dass nicht nur der LKW-Fahrer infolge mehrfach pro Woche über diese Strecke führender Touren, sondern auch der Beschwerdegegner angesichts seines seit fast einem Jahr mit dem E-Bike über diese Route absolvierten Arbeitsweges mit den örtlichen Verhältnissen am Unfallort gleichermassen vertraut waren. Zudem steht gemäss Vorinstanz fest, dass der Beschwerdegegner als E-Bike-Lenker und Benutzer des Radweges am Unfallort vor dem Einmünden oder Befahren der Strasse C.________ vortrittsbelastet war. Gemäss Aufzeichnungen des Fahrradcomputers betrug die Durchschnittsgeschwindigkeit des E-Bikes 20 km/h. Nach eigener Schätzung war der Beschwerdegegner mit einer Geschwindigkeit von ca. 25 km/h unterwegs. Laut unangefochten in Rechtskraft erwachsenem Strafbefehl der Staatsanwaltschaft des Kantons Luzern vom 8. November 2022 (fortan: Strafbefehl) verzeichnete der digitale Fahrtenschreiber des LKWs acht Sekunden vor dem Fahrzeugstillstand nach Abzug der Sicherheitsmarge eine Überschreitung der gesetzlich zulässigen Höchstgeschwindigkeit von 60 km/h um 8 km/h. Die einzige Auskunftsperson konnte als nachfolgende Fahrzeuglenkerin nur die Einleitung einer Vollbremsung des vor ihr fahrenden LKWs bestätigen, jedoch keine Angaben zur unmittelbaren Kollision machen. Die Staatsanwaltschaft des Kantons Luzern liess mit Nichtanhandnahmeverfügung vom 18. Februar 2022 angesichts der Verletzungsfolgen des Beschwerdegegners offen, ob sich Letzterer durch Nichtgewähren des Vortritts mit Leichtmotorfahrrad beim Einmünden von einem Radweg in eine vortrittsberechtigte Strasse der Widerhandlungen gegen Strassenverkehrsvorschriften schuldig gemacht habe. 
 
5.  
 
5.1. Die Vorinstanz liess mit angefochtenem Urteil die Frage ausdrücklich offen, ob der Beschwerdegegner in ursächlichem Zusammenhang mit dem Unfall eine Vortrittsmissachtung begangen und damit eine elementare Verkehrsvorschrift schwerwiegend verletzt habe. Selbst wenn dem beschwerdegegnerischen E-Bike-Lenker das Nichtgewähren des Vortritts anzulasten und folglich - ohne einen bedeutsamen Entlastungsgrund - eine grobe Fahrlässigkeit vorzuwerfen wäre, stehe dieses Verhalten des Beschwerdegegners nicht in einem adäquaten Kausalzusammenhang zum Unfall. Die Handlungsweise des LKW-Lenkers habe den adäquaten Kausalzusammenhang unterbrochen. Dieses Drittverschulden habe eine derart intensive kausale Bedeutung, dass der Kausalzusammenhang zwischen dem Verschulden des Beschwerdegegners und dem Unfall bzw. den Unfallfolgen nicht mehr als kausal erscheine. Mit Vernehmlassung vom 12. September 2024 bekräftigt die Vorinstanz, mangels Relevanz auf eine eigene detaillierte Würdigung des Sachverhalts verzichtet zu haben. Dies auch deshalb, weil die Sachverhaltsermittlung im Strafverfahren betreffend Unfallhergang angesichts fehlender Augenzeugen in Bezug auf die unmittelbare Kollision massgeblich auf den Aussagen des LKW-Lenkers beruhe.  
 
5.2. Demgegenüber rügt die Beschwerdeführerin eine unvollständige Feststellung des rechtserheblichen Sachverhalts. Die hier strittige Taggeldkürzung nach Art. 37 Abs. 2 UVG erfordere einen natürlichen Kausalzusammenhang zwischen der groben Fahrlässigkeit und dem Unfallereignis. Zwar habe die Vorinstanz die für die Beurteilung des natürlichen Kausalzusammenhangs notwendigen Sachverhaltsfeststellungen getroffen, jedoch unterlassen, die entscheidende Schlussfolgerung daraus zu ziehen. Statt dessen habe das kantonale Gericht gestützt auf den Strafbefehl festgestellt, unter Anwendung der gebotenen und zumutbaren Aufmerksamkeit hätte der LKW-Lenker die Kollision vermeiden können. Weil er zuvor den geradeaus gerichteten Blick des mit einer Fellrandkapuze bedeckten Kopfes des Beschwerdegegners beobachtet und erkannt habe, dass Letzterer nicht den Eindruck erweckte, als würde er an seinem Fahrverhalten etwas ändern wollen, hätte der LKW-Fahrer damit rechnen müssen, dass sich der beschwerdegegnerische E-Bike-Lenker nicht korrekt verhalten könnte. Die auf dem Polizeirapport vom 4. Januar 2022 und dem Strafbefehl beruhenden Tatsachenfeststellungen des kantonalen Gerichts liessen keinen anderen Schluss zu, als dass der Beschwerdegegner beim Überqueren der Strasse C.________ den Vortritt des LKWs missachtet habe und es dadurch zum Unfall gekommen sei.  
 
6.  
 
6.1. Im Sozialversicherungsverfahren gelten der Untersuchungsgrundsatz sowie der Grundsatz der freien Beweiswürdigung (Art. 43 Abs. 1 und Art. 61 lit. c ATSG; SVR 2020 UV Nr. 22 S. 85, 8C_538/2019 E. 2.3 f. mit weiteren Hinweisen; Urteil 8C_534/2024 vom 13. März 2025 E. 2.2 i.f.). Das kantonale Gericht war demnach unter Mitwirkung der Parteien zur Feststellung des rechtserheblichen Sachverhalts verpflichtet (Art. 61 lit. c ATSG). Der Untersuchungsgrundsatz schliesst die Beweislast im Sinne der Beweisführungslast begriffsnotwendig aus, da es Sache des Sozialversicherungsgerichts (Art. 61 lit. c ATSG) oder der verfügenden Verwaltungsstelle (Art. 43 Abs. 1 ATSG) ist, für die Zusammentragung des Beweismaterials besorgt zu sein. Im Sozialversicherungsprozess tragen mithin die Parteien in der Regel eine Beweislast nur insofern, als im Falle der Beweislosigkeit der Entscheid zu Ungunsten jener Partei ausfällt, die aus dem unbewiesen gebliebenen Sachverhalt Rechte ableiten wollte. Diese Beweisregel greift allerdings erst Platz, wenn es sich als unmöglich erweist, im Rahmen des Untersuchungsgrundsatzes aufgrund einer Beweiswürdigung einen Sachverhalt zu ermitteln, der zumindest die Wahrscheinlichkeit für sich hat, der Wirklichkeit zu entsprechen (BGE 138 V 218 E. 6 mit Hinweisen; SVR 2022 UV Nr. 41 S. 161, 8C_457/2021 E. 3.4 mit Hinweis).  
 
6.2. Entgegen der Vorinstanz kann die Frage nach dem natürlichen Kausalzusammenhang des Verhaltens des Beschwerdegegners mit Blick auf die Erfüllung des Kürzungstatbestandes im Sinne von Art. 37 Abs. 2 UVG unter den gegebenen Umständen nicht offengelassen werden. Da die vorinstanzlich festgestellten Tatsachen aber insoweit mit der Beschwerdeführerin liquid sind, kann das Bundesgericht die ausstehende Schlussfolgerung selber ergänzen (vgl. BGE 143 V 177 E. 4.3 mit Hinweisen). Der Beschwerdegegner hält auch vor Bundesgericht an seinem - von der Vorinstanz zutreffend widerlegten - Standpunkt fest, er sei an der Unfallstelle gegenüber dem LKW vortrittsberechtigt gewesen, weshalb er "die Hauptstrasse mit seinem Fahrrad überqueren [durfte], ohne anzuhalten". Es wird nicht geltend gemacht und es finden sich keine Anhaltspunkte dafür, dass der Beschwerdegegner am Ende des Radweges sein E-Bike bis zum Stillstand angehalten und anschliessend - unmittelbar vor der Kollision - als Fussgänger mit geschobenem E-Bike den Fussgängerstreifen hätte überqueren wollen. Vielmehr ist laut angefochtenem Urteil von der aufgezeichneten Durchschnittsgeschwindigkeit des E-Bikes von 20 km/h auszugehen. Gemäss Polizeirapport meldete der LKW-Lenker bei der Alarmierung des Notrufs, ihm sei ein Velofahrer in die Seite seines Fahrzeuges gefahren. Laut Strafbefehl hätte der LKW-Lenker damit rechnen müssen, dass sich der Fahrradfahrer nicht korrekt verhalten könnte. Die feststehenden Tatsachen lassen unter den gegebenen Umständen mit der Beschwerdeführerin keinen anderen Schluss zu, als dass der beschwerdegegnerische E-Bike-Lenker anlässlich der Kollision mit dem LKW beim Befahren der Strasse C.________ am Ende des Radweges - trotz Signalisation des Radwegendes und der zusätzlichen Bodenmarkierung "Kein Vortritt" - ohne Entlastungsgrund dem LKW den Vortritt nicht gewährte und dadurch grobfahrlässig den Unfall verursacht hat. Mit der Beschwerdeführerin steht damit fest, dass die Vortrittsverletzung conditio sine qua non für den Unfall war und der natürliche Kausalzusammenhang folglich zu bejahen ist. Hätte der beschwerdegegnerische E-Bike-Lenker auf seiner Fahrt dem LKW den Vortritt gewährt, wäre es nicht zum Unfall gekommen. Dieses Nichtgewähren des Vortrittsrechts stellt eine Verletzung einer elementaren Verkehrsvorschrift dar, welche praxisgemäss eine Kürzung wegen Grobfahrlässigkeit nach Art. 37 Abs. 2 UVG rechtfertigt (BGE 121 V 40 E. 3b mit Hinweisen; vgl. auch BGE 138 V 552 E. 5.2.1 mit Hinweis). Subjektiv oder objektiv bedeutsame Entlastungsgründe (vgl. Urteil 8C_9/2023 vom 10. Mai 2023 E. 3.3 i.f. mit Hinweisen) sind nicht ersichtlich und werden nicht geltend gemacht.  
 
6.3. Das kantonale Gericht ging davon aus, die Handlungsweise des LKW-Lenkers habe - auch im Falle der Bejahung des natürlichen Kausalzusammenhangs zwischen der Grobfahrlässigkeit des Verhaltens des Beschwerdegegners und dem Unfall - die Adäquanz dieses Kausalzusammenhangs unterbrochen. Laut Strafbefehl hätte der LKW-Lenker die Kollision vermeiden können, wenn er die Geschwindigkeit der örtlichen Situation angepasst und seine Fahrt frühzeitig verlangsamt hätte. Sein Verschulden sei als derart schwer zu betrachten, dass das Fehlverhalten des Beschwerdegegners - angesichts seiner Eigenschaft als deutlich schwächerer Verkehrsteilnehmer mit einzig anlastbarer Vortrittsverweigerung - klar in den Hintergrund trete. Hätte der LKW-Lenker "unter Anwendung der gebotenen und zumutbaren Sorgfalt die Kollision vermeiden können, [sei] darin eine Ursache für den Unfall" zu sehen, die einen derart hohen Wirkungsgrad aufweise, dass eine allfällige grobe Fahrlässigkeit des Beschwerdegegners als Ursache nach wertender Betrachtungsweise rechtlich nicht mehr relevant erscheine.  
 
6.3.1. Der adäquate Kausalzusammenhang wird unterbrochen, wenn zu einer an sich adäquaten Ursache eine andere Ursache hinzutritt, die einen derart hohen Wirkungsgrad aufweist, dass erstere nach wertender Betrachtungsweise als rechtlich nicht mehr beachtlich erscheint. Entscheidend ist die Intensität der beiden Ursachen (BGE 130 III 182 E. 5.4 mit Hinweisen). Das Verhalten eines Dritten vermag den Kausalzusammenhang nur zu unterbrechen, wenn diese Zusatzursache derart ausserhalb des normalen Geschehens liegt, derart unsinnig ist, dass damit nicht zu rechnen war (vgl. BGE 143 III 242 E. 3.7; 142 IV 237 E. 1.5.2; je mit Hinweisen).  
 
6.3.2. Mit der Beschwerdeführerin besteht zunächst kein Zweifel, dass die grobfahrlässige Vortrittsverweigerung des Beschwerdegegners nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge und der allgemeinen Lebenserfahrung geeignet war, zur Kollision mit dem vortrittsberechtigten LKW und zu den entsprechenden gesundheitlichen Unfallfolgen zu führen. Dass bei einer wertenden Betrachtungsweise dieses adäquat kausale grobfahrlässige Verhalten des Beschwerdegegners im Vergleich zum gemäss rechtskräftigem Strafbefehl unbestrittenen Drittverschulden des LKW-Lenkers rechtlich nicht mehr beachtlich wäre, ist entgegen der Vorinstanz nicht ersichtlich. Weder dem angefochtenen Urteil noch dem Strafbefehl ist zu entnehmen, dass bei Einhaltung der gesetzlichen Verkehrsregeln seitens des LKWs die Kollision mit dem E-Bike - trotz Vortrittsverweigerung des Beschwerdegegners - ausgeschlossen und der natürliche Kausalzusammenhang folglich zu verneinen gewesen wäre. Auch behauptet die Vorinstanz zu Recht nicht, der LKW-Lenker hätte - trotz signalisierter Höchstgeschwindigkeit von 60 km/h - am Unfallort unter den gegebenen Umständen dem nicht vortrittsberechtigten E-Bike-Lenker auf jeden Fall den Vortritt gewähren und erforderlichenfalls bis zum Stillstand abbremsen müssen, um eine Kollision mit dem sich möglicherweise verkehrsregelwidrig verhaltenden E-Bike-Lenker mit jeder Sicherheit auszuschliessen. Vielmehr stellte die Vorinstanz zutreffend fest, die Staatsanwaltschaft habe angesichts der Verletzungsfolgen auf eine Sachverhaltsabklärung hinsichtlich eines allfälligen strafrechtlichen Verschuldens seitens des Beschwerdegegners verzichtet. Dass er - als conditio sine qua non für den Unfall - ohne ersichtliche Entlastungsgründe dem LKW grobfahrlässig den Vortritt nicht gewährte, steht jedoch fest (E. 6.2 hiervor). Bei dieser Ausgangslage kommt dem Verhalten des LKW-Lenkers - entgegen der Vorinstanz - jedenfalls nicht die Bedeutung einer den adäquaten Kausalzusammenhang durchbrechenden Zusatzursache zu, welche derart ausserhalb des normalen Geschehens liegen würde, dass damit nicht zu rechnen war (vgl. E. 6.3.1 hiervor).  
 
6.3.3. Soweit die Vorinstanz versuchte, ihren Standpunkt auf die Eventualbegründung des Urteils 8C_9/2023 vom 10. Mai 2023 E. 5.5.2 abzustützen, schien sie ausser Acht zu lassen, dass Drittverschulden bei der Beurteilung der Adäquanz grundsätzlich unmassgeblich ist (vgl. E. 3.2.2 hiervor), es sei denn, diese Zusatzursache liege derart ausserhalb des normalen Geschehens, dass damit nicht zu rechnen war (vgl. BGE 143 III 242 E. 3.7; 142 IV 237 E. 1.5.2; je mit Hinweisen). Eine solche Ausnahme ist jedoch nur dann zu bejahen, wenn das Drittverschulden eine so intensive kausale Bedeutung hat, dass der Kausalzusammenhang zwischen dem Verschulden der versicherten Person und dem Unfall bzw. den Unfallfolgen nicht mehr als adäquat erscheint (vgl. Urteil 8C_9/2023 vom 10. Mai 2023 E. 5.5.2). Im eben genannten Urteil hatte sich das Bundesgericht mit einem Fall zu beschäftigen, in welchem ein Fahrradfahrer auf einer Kreuzung frontal mit einem Auto kollidierte. Der Fahrradfahrer hatte vor dem Unfall mehrere Verkehrsregeln missachtet, insbesondere das Vortrittsrecht der am Unfall beteiligten Automobilistin (vgl. Urteil 8C_9/2023 vom 10. Mai 2023 E. 4.1). Das Bundesgericht kam zum Schluss, selbst wenn mit dem Fahrradfahrer davon ausgegangen würde, die Automobilistin wäre vortrittsbelastet gewesen, wäre ihr Verschulden nicht als derart schwer zu betrachten, als dass das Fehlverhalten des Fahrradfahrers geradezu bedeutungslos erscheinen würde (Urteil 8C_9/2023 vom 10. Mai 2023 E. 5.5.3). Demnach kam im genannten Fall mit der Beschwerdeführerin nicht einmal dem Drittverschulden einer Verletzung des Vortrittsrechts seitens der Automobilistin für die Unterbrechung des adäquaten Kausalzusammenhangs eine ausreichend kausale Bedeutung zu (vgl. E. 3.2.2 hiervor). Die Verkehrsregelverletzungen des LKW-Lenkers (geringfügige Überschreitung der signalisierten Höchstgeschwindigkeit von 60 km/h um 8 km/h, ungenügende Aufmerksamkeit und ein nicht den gesetzlichen Vorschriften entsprechendes Sichtfeld aus der Führerkabine) wiegen im Vergleich zur natürlich und adäquat kausalen Unfallursache des Nichtgewährens des Vortritts seitens des Beschwerdegegners nicht so schwer, als dass die Vortrittsverweigerung des E-Bike-Lenkers rechtlich nicht mehr beachtlich wäre.  
 
6.3.4. Zusammenfassend hat die Vorinstanz Bundesrecht verletzt, indem sie dem Drittverschulden des LKW-Lenkers eine den adäquaten Kausalzusammenhang zwischen der Vortrittsverweigerung des Beschwerdegegners und dessen Kollision mit dem LKW unterbrechende Bedeutung zumass. Die Beschwerde ist begründet und folglich gutzuheissen. Nach Aufhebung des angefochtenen Urteils bleibt es beim Einspracheentscheid vom 11. April 2023, womit die Beschwerdeführerin zu Recht an der 10%-igen Taggeldkürzung wegen Grobfahrlässigkeit festhielt.  
 
7.  
Dem Ausgang des Verfahrens folgend hat der Beschwerdegegner die Gerichtskosten zu tragen (Art. 66 Abs. 1 Satz 1 BGG). Eine Parteientschädigung steht der Solida nicht zu (Art. 68 Abs. 3 BGG). 
 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.  
Die Beschwerde wird gutgeheissen. Das Urteil des Kantonsgerichts Luzern vom 12. Juni 2024 wird aufgehoben und der Einspracheentscheid der SOLIDA Versicherungen AG vom 11. April 2023 bestätigt. 
 
2.  
Die Gerichtskosten von Fr. 800.- werden dem Beschwerdegegner auferlegt. 
 
3.  
Die Sache wird zur Neuverlegung der Parteientschädigung des vorangegangenen Verfahrens an das Kantonsgericht Luzern zurückgewiesen. 
 
4.  
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Kantonsgericht Luzern und dem Bundesamt für Gesundheit schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Luzern, 21. Mai 2025 
 
Im Namen der IV. öffentlich-rechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Die Präsidentin: Viscione 
 
Der Gerichtsschreiber: Hochuli