Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal
9C_496/2024
Urteil vom 16. Juli 2025
III. öffentlich-rechtliche Abteilung
Besetzung
Bundesrichterin Moser-Szeless, Präsidentin,
Bundesrichter Stadelmann, Beusch,
Gerichtsschreiber Nabold.
Verfahrensbeteiligte
A.________ AG,
vertreten durch Dr. Hans Frey und/oder Dr. Orlando Vanoli, Rechtsanwälte,
Beschwerdeführerin,
gegen
Kantonales Steueramt Zürich, Rechtsdienst, Bändliweg 21, 8090 Zürich,
Beschwerdegegner,
Steuerverwaltung des Kantons Zug, Bahnhofstrasse 26, 6300 Zug.
Gegenstand
Staats- und Gemeindesteuern des Kantons Zürich, Steuerperioden 2017-2018,
Beschwerde gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts des Kantons Zürich vom 3. Juli 2024 (SB.2024.00031).
Sachverhalt:
A.
Die A.________ AG wurde am 8. Januar 2003 mit Sitz in U.________/ZH gegründet und bezweckt die Bereitstellung von Dienstleistungen für die Immobilien- und Gastrobranche. In der Zeit vom 12. Mai 2016 bis zum 3. Mai 2017 befand sich der statutarische Sitz in in V.________/ZG, vom 4. Mai 2017 bis 1. Juli 2020 in W.________/ZG, und ab dem 2. Juli 2020 wiederum in U.________/ZH.
Mit zwei Verfügungen vom 20. Mai 2021 veranlagte die Steuerverwaltung des Kantons Zug die A.________ AG für die Steuerjahre 2017 und 2018 für die Kantons- und Gemeindesteuern. Zudem beanspruchte auch das kantonale Steueramt Zürich mit Vorentscheid vom 26. Oktober 2022 und Einspracheentscheid vom 9. Dezember 2022 für den Kanton Zürich die Steuerhoheit über die Gesellschaft für die gleiche Periode. Den hiergegen von der Gesellschaft erhobenen Rekurs wies das Steuerrekursgericht mit Entscheid vom 27. Februar 2024 ab.
B.
Die von der A.________ AG hiergegen erhobene Beschwerde wies das Verwaltungsgericht des Kantons Zürich mit Urteil vom 3. Juli 2024 ab.
C.
Mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten beantragt die A.________ AG, es sei unter Aufhebung des Urteils des Verwaltungsgerichts des Kantons Zürich festzustellen, dass in den Steuerjahren 2017 und 2018 keine unbeschränkte Steuerpflicht im Kanton Zürich bestehe, eventuell seien die Veranlagungen der Steuerverwaltung des Kantons Zug vom 20. Mai 2021 für diese Steuerjahren aufzuheben und die bezahlten Kantons- und Gemeindesteuern zurückzuerstatten.
Während das Kantonale Steueramt Zürich die Abweisung der Beschwerde, soweit auf sie einzutreten sei, beantragt, schliesst die Steuerverwaltung des Kantons Zug auf deren Gutheissung, eventuell sei das Besteuerungsrecht des Kantons Zürich als verwirkt zu erklären.
In seiner Eingabe vom 15. Oktober 2024 hält das Kantonale Steueramt Zürich an seinem Antrag fest und beantragt die Abweisung des Eventualantrags der Steuerverwaltung des Kantons Zug. Die A.________ AG hält in ihrer Eingabe vom 16. Oktober 2024 an ihren Anträgen fest.
Erwägungen:
1.
1.1. Die Beschwerde wurde unter Einhaltung der gesetzlichen Frist (Art. 100 Abs. 1 BGG) eingereicht und richtet sich gegen einen Entscheid einer letzten, oberen kantonalen Instanz in einer öffentlich-rechtlichen Angelegenheit (Art. 82 lit. a BGG, Art. 86 Abs. 1 lit. d und Abs. 2 BGG). Dieser Entscheid hat die Veranlagungszuständigkeit des Kantons Zürich zum Gegenstand (sog. Steuerdomizilentscheid) und ist damit als Vorentscheid über die Zuständigkeit im Sinne von Art. 92 BGG zu qualifizieren (vgl. Urteil 9C_607/2022 vom 1. April 2025 E. 2, zur Publikation vorgesehen). Die Beschwerdeführerin ist als Steuerpflichtige gemäss Art. 89 Abs. 1 BGG und Art. 73 Abs. 2 StHG (SR 642.14) zur Beschwerde legitimiert. Auf die Beschwerde ist somit einzutreten.
1.2. Gemäss bundesgerichtlicher Rechtsprechung kann bei Beschwerden wegen interkantonaler Doppelbesteuerung auch eine allenfalls bereits rechtskräftige Veranlagung eines anderen Kantons für dieselbe Steuerperiode mitangefochten werden, obwohl es sich dabei nicht um ein letztinstanzliches Urteil im Sinne von Art. 86 BGG handelt. Der Instanzenzug muss nur in einem Kanton durchlaufen werden (BGE 139 II 373 E. 1.7; 133 I 300 E. 2.4; 133 I 308 E. 2.4; vgl. Art. 100 Abs. 5 BGG). Die Veranlagungsverfügungen der Steuerverwaltung Zug betreffend die Steuerperioden 2017 bis 2018 sind deshalb vorliegend mitangefochten.
2.
2.1. Mit der Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann eine Rechtsverletzung nach Art. 95 f. BGG gerügt werden. Das Bundesgericht wendet das Recht von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1 BGG). Dennoch prüft es - offensichtliche Fehler vorbehalten - nur die in seinem Verfahren gerügten Rechtsmängel ( Art. 42 Abs. 1 und 2 BGG ; BGE 147 I 73 E. 2.1; 145 V 57 E. 4.2; je mit Hinweisen). Es legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG). Es kann deren Sachverhaltsfeststellung von Amtes wegen berichtigen oder ergänzen, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht und wenn die Behebung des Mangels für den Verfahrensausgang entscheidend sein kann.
2.2. Die Bindung an den von der Vorinstanz festgestellten Sachverhalt (Art. 97 Abs. 1 und Art. 105 Abs. 1 BGG ) und das Novenverbot (Art. 99 Abs. 1 BGG) gelten grundsätzlich auch für Beschwerden in Sachen der interkantonalen Doppelbesteuerung. Ausgenommen davon sind jedoch Vorbringen des Kantons, dessen Veranlagung bereits rechtskräftig ist, oder die durch solche Vorbringen veranlasst werden. Insoweit prüft das Bundesgericht den Sachverhalt frei (Urteil 9C_73/2024 vom 26. Februar 2025 E. 2.2, zur Publikation vorgesehen, mit Hinweisen).
3.
Für die hier massgeblichen Steuerjahre 2017 und 2018 beanspruchen sowohl der Kanton Zürich als auch der Kanton Zug die (alleinige) persönliche Zugehörigkeit der Beschwerdeführerin und damit deren unbeschränkte Steuerpflicht (Art. 20 Abs. 1 StHG). Es liegt eine aktuelle Doppelbesteuerung vor (gleiches Steuersubjekt, gleiche Steuerart, gleiches Steuerobjekt, gleiche Steuerperiode; vgl. u.a. BGE 140 I 114 E. 2.3.1; Urteile 2C_539/2017 vom 7. Februar 2019 E. 1.5 und 2C_627/2017 vom 1. Februar 2019 E. 2.1).
4.
4.1. Juristische Personen sind nach harmonisiertem kantonalen Steuerrecht (vgl. § 55 des Steuergesetzes des Kantons Zürich vom 8. Juni 1997 [StG/ZH; LS 631.1]; vgl. auch Art. 20 Abs. 1 StHG und § 51 des Steuergesetzes des Kantons Zug vom 25. Mai 2000 [StG/ZG; BGS 632.1]) einem Kanton gegenüber persönlich zugehörig und deshalb unbeschränkt steuerpflichtig, wenn sich ihr Sitz oder ihre tatsächliche Verwaltung auf dem Gebiet dieses Kantons befindet. Nach der Praxis liegt die tatsächliche Verwaltung einer juristischen Person am Ort, wo die Fäden der Geschäftsführung zusammenlaufen, die wesentlichen Unternehmensentscheide fallen, die normalerweise am Sitz sich abspielende Geschäftsführung besorgt wird und die Gesellschaft den wirklichen, tatsächlichen Mittelpunkt ihrer ökonomischen Existenz hat. Die so verstandene tatsächliche Verwaltung einer juristischen Person ist abzugrenzen von der blossen administrativen Verwaltung einerseits und der Tätigkeit der obersten Gesellschaftsorgane andererseits, soweit sie sich auf die Ausübung der Kontrolle über die eigentliche Geschäftsleitung und gewisse Grundsatzentscheide beschränkt. Massgebend ist somit die Führung der laufenden Geschäfte im Rahmen des Gesellschaftszwecks; findet sie an mehreren Orten statt, ist der Schwerpunkt der Geschäftsführung massgebend (BGE 150 II 321 E. 3.2; Urteile 2C_211/2019 vom 6. April 2022 E. 4.2.2; 2C_24/2021 vom 6. Oktober 2021 E. 4.2; 2C_549/2018 vom 30. Januar 2019 E. 2.2; 2C_848/2017 vom 7. September 2018 E. 3.2).
4.2. Im zur Publikation vorgesehenen Urteil 9C_73/2024 vom 26. Februar 2025 hat das Bundesgericht erwogen, dass sich aus den konkreten Umständen des Einzelfalls zwar ergeben kann, dass die wesentlichen Unternehmensentscheide einer juristischen Person zumindest schwergewichtig am Wohnsitz ihres Geschäftsführers getroffen worden sind, sodass die Annahme der tatsächlichen Verwaltung an diesem Ort begründet ist (vgl. Urteil 9C_722/2022 vom 6. November 2023 E. 5.1.1). Das bedeutet jedoch nicht, dass der Wohnsitz ihres Geschäftsführers gewissermassen ein subsidiäres Steuerdomizil der juristischen Person begründet, wenn nicht bestimmt werden kann, wo ihre Unternehmensentscheide schwergewichtig getroffen und ihre Geschäfte schwergewichtig geführt worden sind. Denn Anknüpfungspunkte für die persönliche Zugehörigkeit und die unbeschränkte Steuerpflicht einer juristischen Person sind nach harmonisiertem Steuerrecht alleine der Sitz und der Ort der tatsächlichen Verwaltung (Art. 20 Abs. 1 StHG; vgl. oben E. 4.1). Kann unter Würdigung der gesamten Umstände nicht mit dem erforderlichen Beweismass festgestellt werden, dass an einem bestimmten Ort schwergewichtig die wesentlichen Unternehmensentscheide getroffen und die Geschäfte geführt worden sind, kann die juristische Person an diesem Ort nicht ihre tatsächliche Verwaltung haben; eine unbeschränkte Steuerpflicht ausserhalb des Sitzkantons scheidet in diesem Fall aus (zum Ganzen: Urteil 9C_73/2024 vom 26. Februar 2025 E. 4.5.1, zur Publikation vorgesehen).
4.3. Die Verteilung der (objektiven) Beweislast erfolgt nach ständiger Rechtsprechung auch im Steuerrecht sinngemäss nach Art. 8 ZGB (BGE 150 II 321 E. 3.6.1; 148 II 285 E. 3.1.3; 144 II 427 E. 8.3.1; 142 II 488 E. 3.8.2). Die Frage nach der objektiven Beweislast stellt sich allerdings erst, wenn eine relevante Tatsache trotz allen zumutbaren Untersuchungsaufwands seitens der untersuchungspflichtigen Steuerbehörde beweislos bleibt (BGE 148 II 285 E. 3.1.3; 147 II 209 E. 5.1.3). Wenn also ein Kanton geltend macht, eine juristische Person habe ihren Ort der tatsächlichen Verwaltung in seinem Kantonsgebiet und sei ihm deshalb persönlich zugehörig, und der Beweis der dafür relevanten Tatsachen nicht mit dem erforderlichen Beweismass gelingt (dazu BGE 150 II 321 E. 3.6.4), trägt der Kanton die beweisrechtlichen Konsequenzen der Beweislosigkeit.
5.
5.1. Das Verwaltungsgericht des Kantons Zürich hat im angefochtenen Urteil im Wesentlichen erwogen, es treffe zwar zu, dass die Beschwerdeführerin in den vorliegend streitbetroffenen Steuerjahren in W.________/ZG über eine geschäftliche Infrastruktur mit Räumlichkeiten verfügt und Mitarbeitende beschäftigt habe. Sowohl die Postbearbeitung, als auch das Rechnungswesen und die Aufbewahrung der Geschäftsakten seien am statutarischen Sitz erfolgt. Es sei jedoch nicht nachgewiesen, dass dort auch die tatsächliche Verwaltung erfolgte. Dabei sei davon auszugehen, dass diese dem Verwaltungsratspräsidenten und Alleinaktionär B.________ obliegen habe. Diesem habe zwar in Baar die geschäftlichen Räumlichkeiten zur Verfügung gestanden; seine tatsächliche Präsenz sei indessen nicht nachgewiesen. Sein Kalender beinhalte überwiegend Termine in Zürich und Bern. Aus diesen Indizien sei zu schliessen, dass die tatsächliche Verwaltung am Wohnsitz des Geschäftsführers in U.________/ZH erfolgt sei.
5.2. Entgegen den vorinstanzlichen Erwägungen kann aus dem fehlenden Nachweis der tatsächlichen Verwaltung einer juristischen Person an deren statutarischen Sitz nicht geschlossen werden, die Verwaltung sei am Wohnsitz des Geschäftsführers erfolgt (E. 4.2). Zu prüfen ist demnach vorliegend, ob der Kanton Zürich willkürfrei darauf schliessen durfte, die wesentlichen Unternehmensentscheide würden am Wohnsitz des Geschäftsführers der Beschwerdeführerin in U.________/ZH getroffen. Für die vorliegend streitbetroffenen Steuerjahre 2017 und 2018 kann in diesem Zusammenhang aus dem Umstand, dass sich der statutarische Sitz in den Jahren 2003 bis 2016 und ab 2. Juli 2020 an diesem Ort befand, nichts abgeleitet werden. Ebenfalls kein hinreichendes Indiz für eine tatsächliche Verwaltung am Wohnsitz in U.________/ZH kann aus dem Umstand abgeleitet werden, dass der Geschäftsführer gemäss seinen Kalendereinträgen nicht nur Termine in der Stadt Bern, sondern auch in der Stadt Zürich wahrzunehmen hatte. Andere Indizien für eine Verwaltung am Wohnsitz fehlen; da mit Blick auf die vom kantonalen Steueramt bereits vorgenommenen Erhebungen anzunehmen ist, dass weitere Abklärungen keine neuen verwertbaren Erkenntnisse brächten, ist von einer Rückweisung abzusehen (antizipierte Beweiswürdigung; BGE 141 I 60 E. 3.3). Damit steht fest, dass eine Geschäftsführungstätigkeit am Wohnsitz des Geschäftsführers im Kanton Zürich nicht nachgewiesen ist.
5.3. Die Konsequenzen der Beweislosigkeit bezüglich einer Geschäftsführungstätigkeit im Kanton Zürich hat dieser Kanton zu tragen (vgl. E. 4.3); die Beschwerde gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts des Kantons Zürich vom 3. Juli 2024 ist gutzuheissen und dieses sowie der Einspracheentscheid des Kantonalen Steueramts Zürich vom 9. Dezember 2022 sind aufzuheben. Damit ist die (Eventual-) Beschwerde gegen die Verfügungen vom 20. Mai 2021 der Steuerverwaltung des Kantons Zug abzuweisen.
6.
6.1. Bei diesem Verfahrensausgang sind die Kosten des bundesgerichtlichen Verfahrens dem Kanton Zürich aufzuerlegen ( Art. 65 und 66 Abs. 1 BGG ). Dieser hat der Beschwerdeführerin eine angemessene Parteientschädigung für das bundesgerichtliche Verfahren auszurichten ( Art. 68 Abs. 1 und 2 BGG ).
6.2. Die Kosten- und Entschädigungsfolgen der kantonalen Rechtsmittelverfahren sind entsprechend dem Verfahrensausgang neu festzulegen. Die Sache wird diesbezüglich an die Vorinstanz zurückgewiesen (Art. 67, Art. 68 Abs. 5 BGG ).
Demnach erkennt das Bundesgericht:
1.
Die Beschwerde wird gutgeheissen. Das Urteil des Verwaltungsgerichts des Kantons Zürich vom 3. Juli 2024 wird aufgehoben.
2.
Die Beschwerde gegen den Kanton Zug wird abgewiesen.
3.
Die Gerichtskosten von Fr. 3'000.- werden dem Kanton Zürich auferlegt.
4.
Der Kanton Zürich hat die Beschwerdeführerin für das bundesgerichtliche Verfahren mit Fr. 3'000.- zu entschädigen.
5.
Die Sache wird zur Neuverlegung der Kosten und der Parteientschädigung des vorangegangenen Verfahrens an das Verwaltungsgericht des Kantons Zürich zurückgewiesen.
6.
Dieses Urteil wird den Parteien, der Steuerverwaltung des Kantons Zug und dem Verwaltungsgericht des Kantons Zürich schriftlich mitgeteilt.
Luzern, 16. Juli 2025
Im Namen der III. öffentlich-rechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Die Präsidentin: Moser-Szeless
Der Gerichtsschreiber: Nabold